Deep-Sky Einstieg - Offene Sternhaufen
Wer den gestirnten Himmel aufmerksam beobachtet, wird bald erkennen, dass man - abgesehen von der üblichen Sterndichte - hin und wieder auf Gebiete auffallend höherer lokaler Sternkonzentration stößt. Einige davon, wie die Plejaden sind schon mit freiem Auge gut zu identifizieren. Hierbei handelt es sich um sogenannte offene Sternhaufen.
Allgemeines
Im Feldstecher oder im Fernrohr erscheinen offene Sternhaufen als lockere Ansammlung von Sternen. Die Tendenz der Sterne in Gruppen aufzutreten, setzt sich von den Doppel- und Mehrfachsystemen über die Assoziationen zu den Sternhaufen fort. Alle offenen Sternhaufen sind Mitglieder unseres eigenen Milchstrassensystems, dabei treten sie in der galaktischen Ebene häufiger auf - sie befinden sich also hauptsächlich im Zentrum und den Spiralarmen der Milchstrasse. In unserer Galaxis schätzt man die Zahl der offenen Sternhaufen auf über 10000. Davon sind aber wegen der Dunkelwolken in der galaktischen Scheibe nur etwa 1000 zu sehen. Ihre Ausdehnung im Weltraum liegt gewöhnlich zwischen einigen wenigen, bis hin zu maximal 150 Lichtjahren.
Aufnahme der Plejaden mittels Webcam und Objektiv eines Diaprojektors!
Zu den bekanntesten gehören die Plejaden, Coma Berenice, die Hyaden, die Praesepe und der Doppelsternhaufen h und Chi Persei. Viele weitere wären jedoch bei genauer Kenntnis ihrer Lage mit freiem Auge sichtbar.
Die Trennung der Mitgliedsterne eines Haufens von Vorder- oder Hintergrundsternen ist nicht immer ohne weiteres möglich, jedoch können gemeinsame Eigenbewegungen oder Radialgeschwindigkeiten Aufschluss geben. Je näher dabei ein offener Sternhaufen ist, um so mehr scheinen seine Sterne verteilt. Die Zuordnung zur gleichen Familie lässt sich dann nur noch auf Grund der Geschwindigkeit und Bewegungsrichtung bestimmen. Bei den entfernten, sternreichen Haufen setzt man auch statistische Mittel zur Analyse ein.
Offene Sternhaufen sind meist jüngere Objekte, was auch mit ihrer Lage in der Milchstrassenebene übereinstimmt. Je jünger der Haufen, desto stärker seine Konzentration Richtung galaktischer Ebene. Einige Haufen, wie z.B. die Plejaden oder Praesepe, haben zwar hohe galaktische Breiten, doch da sie uns sehr nahe sind, ist ihr Abstand von der galaktischen Ebene trotzdem sehr gering. Aufgrund dieser Lagebesonderheit interagieren die offenen Haufen mit interstellarer Materie. Das führt zu chaotischen gravitativen Zuständen, wodurch manche Sterne auf ein größeres Tepo beschleunigt werden, als die Entweichgeschwindigkeit aus dem Haufens beträgt. Diese Sterne verlassen früher oder später den Sternhaufen und senken damit die Entweichgeschwindigkeit weiter ab. Die Auflösungszeit eines Haufens, d.h. sein maximales Alter, hängt damit stark von seiner Sterndichte ab. Daraus ergeben sich mittlere Sterndichten, die etwa zwei- bis fünfzigmal höher sind als in der Sonnenumgebung und Lebensdauern, die zwischen 100 Millonen und einer Milliarde Jahre liegen. Nur sehr dichte Haufen wie M 67 bestehen länger.
Klassifikation
Messiers Nr. 73 ein kurioser "Sternhaufen aus nur 4 Stenen. Eine echte Assoziation ist unwahrscheinlich. Aufnahme mit CCD Kamera Alfa Mini bei 1m Brennweite
Die Sterne eines offenen Sternenhaufens haben etwa das gleiche Alter und die gleiche chemische Zusammensetzung (da sie aus der gleichen Gaswolke entstanden sind). Die Größe der Sterne kann jedoch unterschiedlich sein. Klassifiziert werden sie nach ihrem Erscheinungsbild in drei Kriterien:
Konzentration der Sterne gegen das Haufenzentrum und Kontrast des Haufens gegen den Hintergrund: I (stark)...IV (zufällige Anhäufung);
Helligkeitsbereich: (1) alle Sterne sind ungefähr gleich hell, (2) relativ gleichmäßige Streuung über einen großen Bereich, (3) neben einigen hellen eine größere Anzahl schwächerer Sterne;
Sternreichtum: p (poor = arm) weniger als 50 Sterne, m (moderate = mäßig) zwischen 50 und 100 Sternen, r (rich = reich) mehr als 100 Sterne.
Hiernach würden z.B. die Plejaden als II 3r, die Hyaden als II 3m und die Praesepe als I 2r klassifiziert. Dabei ist zu beachten, dass diese Kriterien zum Teil von der Entfernung abhängen.
Beobachtung
M41 südlich von Sirius. Aufnahme mit CCD Kamera Alfa Mini bei 1m Brennweite. Hier sieht man schön, dass 1m Brennweite in Verbindung mit dem CCD-Feld der Kamera schon viel zu hoch vergrößern und damit der Haufencharakter verloren geht. In einem guten Fernglas ist M41 weit schöner als die Aufnahme zeigen kann.
Der klassische 4,5-Zoll Newton zeigt bereits bei niedrigen Vergrößerungen und wahren Gesichtsfeldern von über einem Grad die meisten offenen Sternhaufen in Einzelsterne aufgelöst. Bei sehr dichten Haufen wie beispielsweise M37 in Auriga sind zumindest die hellsten Einzelsterne schon deutlich zu sehen. Bei Steigerung der Vergrößerung sind an hellen Sternhaufen wirklich sämtliche Details zu überblicken, gerade hohe Vergrößerungen enthüllen hier im 4,5er die wahre Schönheit der offenen Sternhaufen.
Aufgrund ihrer meist recht guten Flächenhelligkeit stellen Vergrößerungen bis 140-fach kein Problem dar. Legt man wieder ein Eigengesichtsfeld von 50° zugrunde, so sind bei dieser Vergrößerung und einem resultierenden wahren Gesichtsfeld von ca. 1/3° die meisten offenen Sternhaufen formatfüllend sichtbar.
Betrachtet man die extrem reichen offenen Sternhaufen der Sommermilchstraße, z.B. M11, den Wildentenhaufen in Scutum, so sind sehr viele Einzelsterne zu sehen, die aber nach wie vor in Nebulosität gebettet sind. Diese Unzahl an Hintergrundsternen läßt sich bei 4,5" auch unter Zuhilfenahme hoher Vergrößerungen (180fach und mehr) schließlich nicht auflösen. Hier stößt man an die Grenzen der Optik. Aber auch ein 8 Zöller hat bei M11 noch seine Probleme. Tatsächlich lässt sich dieser sehr dichte Haufen erst mit 10 Zoll komplett durchdringen. Trotz dieser "Einschränkungen" zeigt sich also, das bereits mit 4,5-Zoll äußerst ästhetische und faszinierende Bilder vieler Objekte im Okular erscheinen.
Interessanterweise sind von den 1200 bekannten Offenen Sternhaufen in unserer Galaxis bisher nur etwa ein Drittel nachweislich visuell beobachtet worden und das, obwohl auch die meisten der unbekannten Haufen in kleinen Fernrohren potentiell leicht zu sehen sind. Besonders Deep-Sky Einsteiger und unter schlechteren Bedingungen leidende Beobachter haben hier ein sinnvolles astronomisches Betätigungsfeld, und man braucht zunächst kein teureres Instrumentarium als einen guten Feldstecher (empfehlen würde ich aber in jedem Fall ein Stativ)!
Für Systematiker - der Stock-Katalog
Für aktive Beobachter die gern etwas systematischer vorgehen, bieten sich Objektkataloge an. Der bekannte Messier-Katalog etwa enthält 27 offene Sternhaufen. Zudem gibt es Spezialkataloge, die sich mit nur einer Objektform beschäftigen wie Collinder oder Melotte. Auch der Stock-Katalog ist so ein Katalog mit 24 Objekten, die alle der Gattung "Offener Sternhaufen" angehören. Zudem stehen alle Sternhaufen bis auf 4 sehr günstig in Deklinationen über +30°. Diese 4 machen jedoch eine nicht zu unterschätzende Schwierigkeit aus, da sie mit Deklinationen von um -60°, von Europa aus nicht beobachtbar sind. Zudem sind viele Katalogangaben nicht mit visuell beobachteten Mustern identisch, was die Identifikationen der einzelnen Objekte erschwert.
Reizvoll ist vielleicht, dass noch nicht allzu viele gezielte Beobachtungen des Stock durchgeführt wurden (1997 hat erstmals die Deep-Sky-Zeitschrift "Interstellarum" eine systematische Beobachtung versucht. Hierbei wurden auch die Positiosangaben einer Revision unterzogen).
Wie bereits erwähnt, sind alle Objekte des Kataloges Sternhaufen bzw. Sternmuster. Man sollte meinen, das dies kleinere Teleskope bevorzugt, das stimmt aber leider nur teilweise. Stock 1 und Stock 2 sind beispielsweise leicht im Feldstecher zu erkennen, während andere selbst in
großen Optiken herausfordernd sind. Zudem gibt es Haufen deren Identität kaum klärbar ist wie z.B. Stock 17.
Objekt |
Rekt |
Dekl |
Klasse |
Helligkeit |
Größe |
Konstellation |
Bemerkungen/Hinweise |
Stock 01 |
19 35.8 |
+25 13 |
III 2 m |
5m3 |
60' |
Vulpecula |
B,vL,nC at 60X 28*;
47* in 40' feld |
Stock 02 |
02 15.0 |
+59 16 |
I 2 m |
4m4 |
60' |
Cassiopeia |
vB,vL,nC,vRi at 60X
88*, schöne Sternketten;2 deg nördlich des Doppelsternhaufens; einfach mit Fernglas |
Stock 03 |
01 12.3 |
+62 20 |
IV 1 p |
|
2' |
Cassiopeia |
8* 11... |
Stock 04 |
01 52.8 |
+57 04 |
IV 1 p |
|
20' |
Perseus |
pB,pL,nC,nRi at 100X
25* |
Stock 05 |
02 04.5 |
+64 26 |
III 3 m |
|
14' |
Cassiopeia |
B,pL,nRi,nC at 100X 17*; mit freiem Auge |
Stock 06 |
02 23.7 |
+63 52 |
III 2 p |
|
20' |
Cassiopeia |
20* 11..., beinhaltet
NGC886 (Oc) |
Stock 07 |
02 29.6 |
+60 39 |
III 1 p |
7m1 |
4,5' |
Cassiopeia |
= Mrk6! 9 pB* and 6 pF* in kleiner Gruppe bei 100X über 12* |
Stock 08 |
05 27.6 |
+34 25 |
I 3 m n |
|
5' |
Auriga |
In nebula IC 417 |
Stock 09 |
05 31 2 |
+34 13 |
I 3 m n |
10m1 |
1' |
Auriga |
= NGC1931- vB,L,R,B***in M
H I 261;Contains triple ADS 4112 |
Stock 10 |
05 39.0 |
+37 56 |
IV 2 p |
|
25' |
Auriga |
|
Stock 11 |
23 32.9 |
+55 29 |
IV 2 p |
|
10' |
Cassiopeia |
st 8... |
Stock 12 |
23 37.2 |
+52 26 |
IV 2 p |
|
20' |
Cassiopeia |
st 8.. |
Stock 13 |
11 13.1 |
-58 55 |
I 3 p n |
7m0 |
3' |
Carina |
In Carina OB3 - 15*
8m5.... |
Stock 14 |
11 44.0 |
-62 30 |
III 3 p |
6m3 |
4' |
Centaurus |
10* 8m4 |
Stock 15 |
12 06.9 |
-59 30 |
IV 1 p |
|
12' |
Crux |
st 10... |
Stock 16 |
13 19.1 |
-62 34 |
III 3 p n |
9m1 |
3' |
Centaurus |
20* 11m5 |
Stock 17 |
23 46.0 |
+62 11 |
I 3 p |
|
1' |
Cassiopeia |
|
Stock 18 |
00 01.6 |
+64 39 |
IV 2 p |
|
5' |
Cassiopeia |
|
Stock 19 |
00 04.4 |
+56 02 |
III 1 p |
|
3' |
Cassiopeia |
6* 8... |
Stock 20 |
00 24.9 |
+62 39 |
II 2 p |
|
1' |
Cassiopeia |
st 13... |
Stock 21 |
00 30.1 |
+57 59
|
IV 2 p |
|
5' |
Cassiopeia |
st 12... |
Stock 22 |
01 15.3 |
+60 08 |
III 2 p |
9m0 |
2,5' |
Cassiopeia |
= NGC433 - Cl,S,lC
15* 9... |
Stock 23 |
03 16.3 |
+60 02 |
II 3 p n |
|
14' |
Camelopardalis |
pB,pL,nRi,scatt,17* at 100X |
Stock 24 |
00 39.7 |
+61 57 |
III 1 p |
8m8 |
4' |
Cassiopeia |
Wunderbar bei hoher Vergrößerung im 10 Zöller |
Fazit
Das Beobachten Offener Sternhaufen benötigt kein teueres Instrumentarium, keine hervorragenden Beobachtungsbedingungen, keine große Beobachtungserfahrung und die Objektauswahl ist riesig. Zudem ist jeder Offene Sternhaufen in seinem Erscheinungsbild einzigartig und allein deshalb der Beobachtung Wert. Auch wer ein schönes Sternmuster findet, das Haufenverdächtig ist, aber bislang nicht verzeichnet wurde, sollte es aufmerksam notieren. Wer weiß - vielleicht ist einmal eine Neuentdeckung dabei.
Postscriptum
Erwähnenswert ist noch der "Katalog heller offener Sternhaufen" des Arval Observatoriums in Caracas, Venezuela (http://www.oarval.org/OClust.htm). Die über 100 angegebenen Sternhaufen sind fast alle heller als 6.9mag, allerdings sind hier auch viele Objekte des Südhimmels aufgelistet. Vielleicht ein Ansporn im nächsten Urlaub der nach Süden führt, Fernglas und Stativ nicht zu vergessen.
Um 1930 fasste der schwedische Astronomen Per Collinder die zur damaligen Zeit bekannten Offenen Sternhaufen im Rahmen seiner Dissertation in einem Katalog zusammen. Sein Katalog, der insgesamt 471 Offene Sternhaufen beinhaltet, basiert auf der Durchmusterung der Franklin-Adams-Karten, dem NGC-Katalog samt seinen Erweiterungen, sowie den Katalogen von Bailey, Melotte, Raab, Shapley, Trumpler, etc. Bekannt ist z.B. Cr399 - der Kleiderbügel in Vulpecula - ein besonders hübsches Sternmuster (wie Untersuchungen jedoch zeigten kein assoziiertes).

Messier´s Nr. 48 - ein offener Sternhaufen im Sternbild Hydra. 10 Aufnahmen zu je 40 Sekunden mit CCD Kamera Alpha Mini und 200mm Teleobjektiv
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